Cannabis: Ein Wolf im Schafspelz?

21. März 2025

Can­na­bis wird häu­fig als natür­li­ches Heil­mit­tel für chro­ni­sche Schmer­zen, Übel­keit und Angst­zu­stän­de ange­prie­sen, soll­te aber aus­schließ­lich ärzt­lich ver­ord­net ein­ge­setzt werden.

Can­na­bis zu ver­harm­lo­sen, ist in Anbe­tracht aktu­el­ler For­schungs­er­geb­nis­se gefähr­lich. Der Kon­sum von Can­na­bis hat schwer­wie­gen­de Aus­wir­kun­gen, beson­ders auf das sich ent­wi­ckeln­de Gehirn jun­ger Menschen!

Welche Wirkstoffe hat Cannabis?

Can­na­bis besteht aus über 100 Kom­po­nen­ten. Die am bes­ten erforsch­ten Can­na­bi­no­ide sind Can­na­bi­di­ol (CBD) und Tetra­hy­dro­can­na­bi­nol (THC).

CBD hat kei­ne berau­schen­de Wir­kung und wird zur Lin­de­rung von Ent­zün­dun­gen und Schmer­zen (ohne THC) ein­ge­setzt. In einem auf­wen­di­gen Ver­fah­ren wird das THC extra­hiert, um den Wirk­stoff CBD (ohne THC) zu gewin­nen. Tetra­hy­dro­can­na­bi­nol ist der psy­cho­ak­ti­ve Bestand­teil von Can­na­bis der “high” macht aber auch süch­tig machen kann.

Wie wirkt sich Cannabis auf die Entwicklung des Gehirns aus?

Über­mä­ßi­ger Kon­sum von THC kann das Endo­can­na­bi­no­id-Sys­tem (ECS) stö­ren. THC beein­flusst die syn­ap­ti­sche Prä­gung, Neu­ro­ge­ne­se und Neu­ro­trans­mit­ter­re­gu­la­ti­on. Das bedeu­tet, dass THC die Funk­tio­na­li­tät des Gehirns beein­flusst, beson­ders wäh­rend der Gehirn­ent­wick­lung. Im Rei­fungs­pro­zess des Gehirns wer­den schwä­che­re Syn­ap­sen eli­mi­niert und stär­ke­re syn­ap­ti­sche Ver­bin­dun­gen ver­stärkt. Wird die­ser Pro­zess gestört kommt es zu feh­ler­haf­ten neu­ro­na­len Ver­knüp­fun­gen und folg­lich zu kogni­ti­ven (geis­ti­gen) Defiziten.

CB1 und CB2-Rezep­to­ren haben im Gehirn sehr wich­ti­ge Funk­tio­nen. CB1-Rezep­to­ren sind  für kogni­ti­ve Funk­tio­nen, wie Auf­merk­sam­keit, Erin­nern, Ler­nen, Pla­nen, sowie für Emo­tio­nen und Beloh­nung zustän­dig. CB2-Rezep­to­ren beein­flus­sen die Immun­ant­wort und Neu­ro­in­flamm­a­ti­on (Ent­zün­dun­gen des Ner­ven­sys­tems). Die Bin­dung von THC an CB1 und CB2 Rezep­to­ren kann vor allem in jun­gen Jah­ren die gesun­de Gehirn­ent­wick­lung stören.

Welche Gehirnregionen können durch Cannabis geschädigt werden?

Der Hip­po­cam­pus ist beson­ders anfäl­lig für THC, da er eine hohe Dich­te an CB1-Rezep­to­ren auf­weist. Kon­stan­ter Can­na­bis­kon­sum steht im Zusam­men­hang mit einer ver­rin­ger­ten  Hip­po­cam­pus-Grö­ße, Defi­zi­ten des räum­li­chen Gedächt­nis­ses und Lernens.

Can­na­bis kann auch die Neu­ro­ge­ne­se im Hip­po­cam­pus und Gedächt­nis­stö­run­gen ver­ur­sa­chen. Außer­dem kann die Ent­wick­lung des prä­fron­ta­len Kor­tex (PFC), der für Ent­schei­dungs­fin­dung, Pla­nung und Impuls­kon­trol­le von Bedeu­tung ist und zuletzt aus­reift, nach­tei­lig ver­än­dert werden.

Aktu­el­le Stu­di­en zei­gen, dass Jugend­li­che, die Can­na­bis kon­su­mie­ren, eine Reduk­ti­on der grau­en Sub­stanz im PFC auf­wei­sen und die Gehirn­ak­ti­vi­tät in die­sen Regio­nen beein­träch­tigt ist.

Macht Cannabis süchtig?

Auch die Neu­ro­trans­mit­ter­sys­te­me wer­den durch Can­na­bis beein­flusst. THC erhöht kurz­fris­tig die Dopa­min­aus­schüt­tung. Eine erhöh­te Dopa­min­aus­schüt­tung stört das Beloh­nungs­sys­tem und das Risi­ko für Abhän­gig­keit erhöht sich. Can­na­bis­kon­sum in der Jugend erhöht gene­rell die Wahr­schein­lich­keit für Sub­stanz­miss­brauch. Außer­dem kann es die Frei­set­zung von Glut­amat redu­zie­ren und damit Lern­fä­hig­keit und Gedächt­nis nega­tiv beeinflussen.

Kann Cannabis psychische Erkrankungen auslösen?

Neben kogni­ti­ven Stö­run­gen erhöht Can­na­bis­kon­sum auch das Risi­ko für psy­chi­sche Erkran­kun­gen. Frü­her Kon­sum­be­ginn und häu­fi­ger Gebrauch wer­den mit einem erhöh­ten Risi­ko für Psy­cho­sen in Ver­bin­dung gebracht. Zudem gibt es eine Kor­re­la­ti­on zwi­schen Can­na­bis­kon­sum, Depres­sio­nen und Angst­zu­stän­den. Die emo­tio­na­le Regu­la­ti­on kann durch den Kon­sum beein­träch­tigt wer­den, was lang­fris­tig zu psy­chi­schen Erkran­kun­gen füh­ren kann.

Can­na­bis hat erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf die Gehirn­ent­wick­lung und kann lebens­lan­ge Fol­gen nach sich zie­hen. Kon­su­miert ein Jugend­li­cher regel­mä­ßig Can­na­bis, soll­te pro­fes­sio­nel­le Hil­fe in Anspruch genom­men wer­den, um nach­hal­ti­ge Gehirn­funk­ti­ons­stö­run­gen zu vermeiden.

Können Suchterkrankungen mit Neurofeedback behandelt werden?

​Das Peniston/Kulkosky EEG Alpha-The­ta Neurofeedback wird bereits seit den 1990er Jah­ren zur Behand­lung von Sucht­er­kran­kun­gen ein­ge­setzt. Bei Abhän­gig­keits­er­kran­kun­gen zei­gen sich meist zu gerin­ge Gehirn­ak­ti­vi­tä­ten im Fre­quenz­be­reich Alpha, zu hohe Gehirn­ak­ti­viä­ten im lang­sa­men Fre­quenz­be­reich The­ta und eine Über­er­re­gung im schnel­len Fre­quenz­be­reich Beta. Beim Penis­ton/­Kul­kos­ky-Neurofeedback wer­den Alpha- und The­ta-Gehirn­ak­ti­vi­tä­ten erhöht, um die schnel­len Beta-Akti­vi­tä­ten zu redu­zie­ren, um den Sucht­druck ein­zu­däm­men. Mit Biofeedback wird zusätz­lich die Herz­ra­ten­va­ria­bi­li­tät durch Atem­funk­ti­ons­trai­ning ver­bes­sert und die peri­phe­re Tem­pe­ra­tur erhöht, um auch das peri­phe­re Ner­ven­sys­tem zu entlasten.

Quel­len

The Trans­for­ma­tio­nal Power of the Penis­ton Pro­to­col: A Therapist’s Expe­ri­en­ces Nan­cy E. White PhD a a The Enhance­ment Insti­tu­te, Hous­ton, Texas Published online: 12 Dec 2008. Jour­nal of Neu­ro­the­ra­py: Inves­ti­ga­ti­ons in Neu­ro­mo­du­la­ti­on, Neurofeedback and Appli­ed Neuroscience

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