Sind Unruhe, Impulsivität oder Konzentrationsprobleme bei Kindern normal?
Kleinkinder und Vorschulkinder zeigen oft Verhaltensweisen wie Hyperaktivität, Wutausbrüche oder eine erhöhte Sensibilität. Sind diese Verhaltensweisen normal und entwicklungsbedingt oder Hinweise auf Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) oder Aufmerksamkeitsdefizitstörungen (ADS)?
Eltern hoffen natürlich, dass sich Hyperaktivität, Konzentrationsprobleme und Emotionsstörungen mit der Zeit legen, bleibt AD(H)S jedoch unerkannt und unbehandelt, kann diese Störung das soziale Leben und den Bildungsweg negativ beeinflussen. Laut der Centers for Disease Control (CDC) sind rund 7 Millionen Kinder zwischen 3 und 17 Jahren von AD(H)S betroffen. Die Diagnose ist bereits ab einem Alter von vier Jahren möglich. Die AD(H)S Therapie könnte also bereits im Vorschulalter erfolgen.
Welche Risikofaktoren stehen bei Kindern mit AD(H)S im Zusammenhang?
- erhöhtes Alter der Mutter bei der Geburt
- familiäre Vorbelastungen
- soziale Herausforderungen wie Trennung der Eltern, Erkrankungen der Eltern oder wirtschaftliche Probleme
- verzögerte motorische und sprachliche Entwicklung
Welche Symptome weisen bei Kindern auf AD(H)S hin?
- Koordinationsprobleme und erhöhte Unfallgefahr: Kinder mit AD(H)S neigen zu unkontrollierten Bewegungen und sind häufiger in Unfälle verwickelt.
- Impulsivität: häufiges Unterbrechen von Gesprächen, laute Reaktionen und unüberlegte Handlungen sind typisch
- Lernprobleme: Schon im Vorschulalter können mangelnde Aufmerksamkeit und Konzentration das Lernen beeinträchtigen.
- Schlafprobleme: AD(H)S-Kinder leiden oft an Schlafstörungen, die ihre Symptome verstärken können.
- hohe emotionale Sensibilität: Kinder mit AD(H)S erleben Gefühle meist intensiver und können sich schwerer beruhigen.
- herausforderndes Verhalten: Viele Kinder mit AD(H)S entwickeln aggressive Verhaltensmuster.
- unaufhörlicher Bewegungsdrang: Ruhelosigkeit
AD(H)S weist ebenso genetische Komponenten auf. Es ist daher empfehlenswert, auch auf allfällige Symptome der Eltern zu achten. Oft wird die AD(H)S-Diagnose der Eltern erst im Zuge der Untersuchung der Kinder erkannt.
Was kann bei AD(H)S helfen?
- Biofeedback und Neurofeedback zur Emotionsregulierung und Konzentrationssteigerung
- Verzicht auf (raffinierten) Zucker, künstliche Zusatzstoffe und Allergene wie z. B. Gluten
- proteinreiche Ernährung: Eine ausgewogene Nährstoffzufuhr fördert Konzentration und gibt Energie.
- Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität reduziert Hyperaktivität.
- aktive Regeneration zum Ausgleich der (Über-) Aktivierung: Atemfunktionsübung im Baroreflexrhythmus, klassische Entspannungsmethoden
- gesunder Schlaf: Schlaffördernde Maßnahmen und Schlafhygiene wirken sich positiv auf Verhalten und Konzentration aus.
- Reduktion der Bildschirmzeit: Eingeschränkter Medienkonsum verbessert die Konzentrationsfähigkeit.
- natürliche, medizinisch abgestimmte Nahrungsergänzungsmittel
- Verzicht auf Fastfood, Fertig- oder Halbfertigprodukte
- ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytezufuhr
Neurofeedback-Therapie bei ADHS
Die Neurofeedback-Therapie ist eine verhaltensmedizinische Methode, die zur Behandlung von AD(H)S eingesetzt wird, da sie die Gehirnaktivitäten reguliert.
Entsprechend dem individuellen AD(H)S Typus haben sich unterschiedliche Neurofeedback-Therapieprotokolle als effektiv erwiesen.
- Theta/Beta-Neurofeedback: Bei AD(H)S liegt häufig ein erhöhtes Verhältnis der Gehirnaktivitäten im Frequenzbereich Theta zu reduzierten Gehirnaktivitäten im Frequenzbereich Beta Dieses Ungleichgewicht führt zu erhöhter Unaufmerksamkeit und Impulsivität. Durch das Theta/Beta-Neurofeedback lernen Betroffene dieses Verhältnis zu regulieren, um die Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen und die Hyperaktivität zu reduzieren.
- SMR-Neurofeedback (Sensormotor Rhythmus): Diese Therapie konzentriert sich auf die Regulierung des sensormotorischen Rhythmus (12–15 Hz), um die Fähigkeit zu fokussieren und die Impulskontrolle zu verbessern.
- SCP-Training (Slow Cortical Potentials): Wird AD(H)S durch eine Fehlfunktion neuronaler Erregung und Hemmung (der Neuronen) ausgelöst, können mittels SCP-Neurofeedback die langsamen kortikalen Potentiale reguliert werden. Von AD(H)S betroffene Kinder und Erwachsene profitieren besonders von diesem Therapieverfahren, das an der Universität Tübingen bereits in den 1960er Jahren erforscht wurde und zur nachhaltigen Verbesserung der Aufmerksamkeit und Verhaltenskontrolle führt.
Neurofeedback kann auch ergänzend zu medikamentösen oder psychotherapeutischen Therapien eingesetzt werden.
Quellen
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