Biofeedback ist in den 60-iger Jahren (1960) im Zuge der amerikanischen und russischen Grundlagenforschung entstanden.
Die Grundlagenforschung beschäftigt sich mit zentralen Fragen, z. B. Wie funktioniert der Körper? Wie funktioniert das Gehirn? Wie entstehen Krankheiten? Dabei sind die Funktionen des peripheren Nervensystems von lebenswichtiger Bedeutung. Das periphere Nervensystem reguliert z. B. Herzschlag, Blutdruck, Durchblutung, Atmung, Verdauung und Stoffwechsel. Es verbindet alle Körperregionen und Organe mit dem Rückenmark und leitet Informationen in beide Richtungen weiter. Biofeedback untersucht, diagnostiziert und therapiert das periphere Nervensystem und wirkt dadurch auf das Gehirn.
Ende der 60-iger Jahre wurde das EEG-Biofeedback entwickelt, das auch Neurofeedback genannt wird. Mit Hilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) werden die Gehirnströme untersucht, diagnostiziert und das zentrale Nervensystem therapiert. Neurofeedback wirkt also direkt auf das Gehirn, Biofeedback hingegen indirekt.
Association for Applied Psychophysiology and Biofeedback
1969 wurde die Biofeedback Research Society, jetzt “Association forApplied Psychophysiology and Biofeedback” (AAPB), gegründet. Diese Institution prüft Studien und qualifiziert die Wirksamkeit der verhaltensmedizinischen Methoden des Biofeedbacks und Neurofeedbacks. Im Review „Evidence-Based Practice in Biofeedback and Neurofeedback (3rd Edition) AAPB 2016“ wird z. B. Biofeedback und Neurofeedback bei ADHS als wirksam und spezifisch und bei Epilepsie und Angststörungen als wirksam bewertet.
Bereits 1970 konnte die Wirksamkeit von Neurofeedback nachgewiesen werden. Grundlegend dafür waren Studien zur Kontrolle der posterior dominanten Alpha-Rhythmen (Gehirnaktivitäten) von Nowlis & Kamiya (1970), Travis et al. (1974) und ADHD/ADD bei Kindern von Lubar & Shouse (1976). Dabei wurden die Gehirnstromaktivitäten gemessen, abgeleitet und an die Probanden rückgemeldet. Durch Gehirntraining auf Grundlage operanter Konditionierung (siehe dazu nächstes Kapitel) erlernten die Probanden ihre Gehirnstromaktivitäten zu regulieren.
Biofeedback und Neurofeedback sind verhaltensmedizinische Methoden, die durch das Lernprinzip der operanten Konditionierung wirken
Diese behavioristische Lernmethode geht vor allem auf Iwan Petrowitsch Pawlow und Burrhus Frederic Skinner zurück. Pawlow erforschte 1905 die klassische Konditionierung, als er beim Füttern eines Hundes immer dieselbe Glocke ertönen ließ. Schon nach kurzer Zeit speichelte der Hund, bei dem ihm bekannten Glockenton, ohne direkten Futterreiz. Skinner entdeckte 1930, dass Lernen am Erfolg besonders effizient und objektiv ist und damit keine unnatürlichen Einschränkungen von Verhaltensweisen einhergehen. Er nannte diese Lernmethode operante Konditionierung.
Operante Konditionierung: Lernen am Erfolg!
Bei der operanten Konditionierung wird erwünschtes Verhalten belohnt, unerwünschtes Verhalten aber nicht bestraft, sondern ignoriert. Bei Biofeedback und Neurofeedback erfolgt diese Belohnung visuell oder akustisch, also durch Bilder oder Töne, wenn Trainingsziele, wie z. B. das Gleichgewicht zwischen neuronaler Erregung und Hemmung, erreicht werden.
1965 führte Maurice Barry Sterman, Schlafforscher an der University of California, einen Tierversuch durch. Katzen erhielten Futter beim Betätigen eines Hebels. Dabei wurden ihre Gehirnstromaktivitäten aufgezeichnet. Dann ließ er einen dauerhaften Ton erklingen, der ab und an kurz verstummte. Die Katzen erhielten nur Futter, wenn sie in den Ton-Pausen den Hebel betätigten. Sterman erwartete, dass die Katzen während des Wartens einschlafen und langsame Gehirnstromaktivitäten im Frequenzbereich von 1 – 10 Hz produzieren würden. Aber die Katzen schliefen nicht ein, sondern warteten motorisch ruhig und doch aufmerksam auf die Ton-Pause, um den Hebel zu betätigen und ihre Belohnung (Futter) dafür zu erhalten.
Während dieses motorisch ruhigen, aufmerksamen Zustandes produzierten sie Gehirnstromaktivitäten im Frequenzbereich von 12 – 15 Hz. Daraufhin bekamen die Katzen nur noch Futter, wenn sie Gehirnstromaktivitäten im Frequenzbereich von 12 – 15 Hz produzierten. Die Katzen wurden also für eine bestimmte Gehirnaktivität, die im Zusammenhang mit ihrem Verhalten stand, belohnt und lernten rasch dies umzusetzen. Die operante Konditionierung, also das Lernen am Erfolg, war erfolgreich! Diese Lernmethode wird auch bei Biofeedback und Neurofeedback angewendet.
Biofeedback und Neurofeedback wirken durch kontinuierliche Rückmeldung und operante Konditionierung
Biofeedback und Neurofeedback wirken dadurch, dass Körperfunktionen- bzw. Reaktionen mittels medizintechnischer Geräte gemessen und in Echtzeit für die KlientInnen oder PatientInnen sichtbar gemacht werden. Dazu gehören beim Biofeedback Vitalfunktionen, wie der sympathische Hautreflex, die periphere Temperatur, der Blutvolumenpuls, die Atemfunktion, die Muskelspannung und die Puls- und Herzfrequenz. Beim Neurofeedback werden die Gehirnstromaktivitäten mittels Elektroenzephalogramm rückgemeldet.
Durch operante Konditionierung, also durch die Bestätigung von (zuerst kleinen) Verbesserungen und das Ignorieren bestehender Fehlfunktionen von Vitalparametern und/oder Gehirnstromaktivitäten, werden das periphere Nervensystem und/oder das zentrale Nervensystem therapiert und reguliert.
Das Gehirn informiert uns nicht über seine Aktivitäten
Das Regulieren neurophysiologischer Aktivität im Gehirn ist, mangels Rezeptoren (Reizempfänger) an die apparative visuelle und/oder akustische Rückmeldung durch Neurofeedback gebunden. Unsere Reizempfänger leiten zwar z. B. Muskeltonus, Körpertemperatur und Schweißdrüsenaktivität weiter, wodurch wir kognitive oder emotionale Zustände „spüren“ (Strehl, 2013, S. 14-15), die Gehirnaktivität können wir aber nicht fühlen. Sie ist nur dann ohne Medikamente beeinflussbar, also therapierbar, wenn sie sichtbar oder hörbar gemacht wird.
Beispiel Biofeedback-Therapie zur Sympathikus-Reduktion
Bei der Biofeedbacktherapie des sympathischen Hautreflexes (SCL) wird ein kleiner Sensor am Ringfinger der nicht dominanten Hand (also bei Rechtshändern an der linken Hand und bei Linkshändern an der rechten Hand) angebracht. Der Hautleitwertsensor misst, wieviel Schweiß die Haut absondert, da sich das sympathische Nervensystem bei Erregung aktiviert und in Folge durch die Schweißdrüsen mehr oder weniger Schweiß produziert wird. Dadurch steigt oder sinkt die sogenannte Hautleitfähigkeit.
Eine Fehlfunktion des sympathischen Hautreflexes zeigt sich, wenn die Hautleitfähigkeit in Ruhephasen nicht sinkt, sondern erhöht bleibt, oder spontan fluktuiert (Spontanfluktationen). Diese Vitalfunktion wird rückgemeldet, also graphisch in Echtzeit dargestellt. Dann wird erlernt, den Hautleitwert zu senken und auf einem gleichbleibend niedrigen Niveau zu halten. Gelingt es, den Hautleitwert zu senken, erklingt z. B. eine schöne Melodie, die aber unterbrochen wird, wenn der Hautleitwert wieder steigt und erst dann wieder ertönt, wenn er wieder sinkt.
Mit fortschreitendem Trainingserfolg wird das Training anspruchsvoller, bis die Fehlfunktion reguliert und das Gleichgewicht zwischen den sympathischen und parasympathischen Nervensystemen wiederhergestellt ist. Indiziert ist die Sympathikus-Reduktion zur Prävention und Therapie belastungsbedingter, psychischer und neurophysiologischer Erkrankungen.
Beispiel Neurofeedbacktherapie zur Regulation der langsamen kortikalen Potenziale:
Die Neurofeedbacktherapie zur Regulierung von neuronaler Erregung und Hemmung wird besonders bei Epilepsie, ADHS und Migräne angewendet. Dabei wird mit Hilfe eines Kreises erlernt, die neuronale Aktivität in Form der langsamen kortikalen Potenziale zu erhöhen bzw. zu reduzieren. Dieser Kreis übersetzt die Gehirnaktivität. Er wird bei neuronaler Erregung größer und bei neuronaler Hemmung kleiner. Pfeile noch oben oder unten instruieren, ob die Gehirnaktivität verstärkt oder reduziert werden soll. Gelingt es die Anweisungen auszuführen, erscheint ein Smiley 😊. Entsprechend dem Trainingserfolg, wird die Zeitspanne der Instruktionen verlängert, bis neuronale Erregung und Hemmung reguliert sind.
Eine Besonderheit der Biofeedback- und Neurofeedbacktherapie ist, dass nach dem Prinzip “trial and error” Selbstregulation erlernt werden muss, da jedes Gehirn einzigartig ist.
Das heißt, dass auch der erfahrenste Therapeut oder Trainer dem Klienten nicht genau erklären kann, wie Vitalparameter oder Gehirnaktivitäten konkret zu beeinflussen sind. Zu Beginn lernt das Gehirn also über Zufallstreffer, die belohnt werden (siehe operante Konditionierung). Nach einigen Sitzungen kann vermehrt zwischen verschiedenen Zuständen differenziert werden, bis die/der Trainierende am Ende gezielt gewünschte Zustände herbeiführen kann.
Sowohl Biofeedback als auch Neurofeedback wirken auf das Gehirn, indirekt oder direkt, schmerzfrei und ohne negative Nebenwirkungen. Biofeedback und Neurofeedback können bzw. sollten miteinander verbunden werden. Biofeedback und Neurofeedback können selbständig oder ergänzend zu medikamentösen und psychotherapeutischen Therapien angewendet werden.