Epilepsie, wenn Neuronen sich plötzlich synchron entladen

23. April 2021

Die Wirk­sam­keit des Neu­rofeed­backs gegen Epi­lep­sie ent­deck­te Mau­rice Bar­ry Ster­man, Schlaf­for­scher, Ende der 60-iger Jah­re. Zuerst wies er nach, dass Kat­zen mit­tels Neu­rofeed­back­trai­ning ihre Gehirn­strom­ak­ti­vi­tä­ten (im sen­so­mo­to­ri­schen Kor­tex) ver­än­dern kön­nen. Mit wei­te­ren Stu­di­en zur Behand­lung von Schlaf­stö­run­gen gelang Ster­man der Nach­weis, dass Neu­rofeed­back­trai­ning den sen­so­mo­to­ri­schen Rhyth­mus (ein Fre­quenz­be­reich der Gehirn­strom­ak­ti­vi­tä­ten) erhöht und sich dadurch die Schlaf­spin­deln verstärken.

Als er anschlie­ßend den Auf­trag erhielt, die neu­ro­lo­gi­schen Reak­tio­nen auf einen neu­en Rake­ten­treib­stoff zu unter­su­chen, führ­te er wie­der Tier­ver­su­che durch. Dabei stell­te er fest, dass die „Neurofeedback-Kat­zen“ im Gegen­satz zu ande­ren Kat­zen weit­aus resis­ten­ter gegen die Wir­kung des Rake­ten­treib­stoffs waren. Untrai­nier­te Kat­zen erlit­ten schwe­re epi­lep­ti­sche Anfäl­le, wäh­rend die trai­nier­ten viel spä­ter Sym­pto­me zeig­ten und kei­ne, oder nur leich­te, epi­lep­ti­sche Anfäl­le, erlitten.

1972 führ­ten Ster­man und Fri­ar bei Pati­en­tIn­nen mit gene­ra­li­sier­ten Anfäl­len (Grand Mal) Neurofeedback The­ra­pien durch, bei denen die Pati­en­tIn­nen erlern­ten, ver­mehrt Gehirn­strom­ak­ti­vi­tä­ten im Bereich von 11 Hz – 13 Hz zu pro­du­zie­ren. Inner­halb eines Beob­ach­tungs­zeit­raums von 5 Jah­ren blieb die Anfalls­re­duk­ti­on von zwei Anfäl­len pro Monat auf einen Anfall pro Vier­tel­jahr sta­bil. Die­se Stu­die war die ers­te Neu­rofeed­back­stu­die mit der durch Training des sen­so­mo­to­ri­schen Rhyth­mus gene­ra­li­sier­te und foka­le Epi­lep­sie beein­flusst wurden.

Wei­te­re Tier- und Human­stu­di­en zeig­ten in der Fol­ge, dass die soge­nann­te SMR-Gehirn­ak­ti­vi­tät zwi­schen 12 Hz -15 Hz mit dem Anwach­sen tha­la­mo­kor­ti­ka­ler Hem­mung ver­bun­den ist, beson­ders, wenn dabei die lang­sa­me The­ta-Gehirn­strom­ak­ti­vi­tät (1 Hz - 4 Hz) redu­ziert wird. Damit konn­ten epi­lep­ti­sche Anfäl­le ent­we­der ver­hin­dert oder stark redu­ziert werden.

Beim Neurofeedback nach Sterman wird der SMR-Rhythmus erhöht und frontal die langsame Theta-Aktivität gehemmt.
Beim Neurofeedback nach Ster­man wird der SMR-Rhyth­mus erhöht und fron­tal die lang­sa­me The­ta-Akti­vi­tät gehemmt.
Ster­man set­ze sich nach­drück­lich dafür ein, Neurofeedback bei Epi­lep­sie nicht erst ein­zu­set­zen, wenn Medi­ka­men­te sich als unwirk­sam erwei­sen. Er begrün­de­te dies damit, dass Neurofeedback kei­ne nega­ti­ven Neben­wir­kun­gen mit sich zieht, Anfäl­le ver­hin­dert oder redu­ziert und die Schlaf­qua­li­tät und kogni­ti­ve Leis­tungs­fä­hig­keit erhöht.

Neurofeedback wird seit 50 Jahren erfolgreich bei der Behandlung von Epilepsie angewandt

Zur glei­chen Zeit, wie Ster­man erforsch­ten bereits in den frü­hen 70-iger Jah­ren Nils Bir­bau­mer und Ute Strehl an der Uni­ver­si­tät Tübin­gen die Wir­kung von Neurofeedback bei Epi­lep­sie. Anders als beim Neurofeedback der SMR-Akti­vi­tät trai­nier­ten sie die lang­sa­men kor­ti­ka­len Poten­tia­le zur Regu­la­ti­on von Erre­gung und Hem­mung neu­ro­na­ler Zell­ver­bän­de zur The­ra­pie von Epi­lep­sie. Auch ihnen gelang in meh­re­ren Stu­di­en der Wirk­sam­keits­nach­weis (sie­he Stu­di­en) des soge­nann­ten SCP (Slow Cor­ti­cal Poten­ti­als) Trai­nings. Bir­bau­mer und Strehl fan­den her­aus, dass bei Epi­lep­sie die Regu­lie­rung erre­gen­der und hem­men­der kor­ti­ka­ler Poten­tia­le gestört ist. Sie ent­wi­ckel­ten ein Neu­rofeed­back­ver­fah­ren, mit dem Epi­lep­sie-Pati­en­tIn­nen erler­nen, ihre lang­sa­men kor­ti­ka­len Poten­tia­le zu regulieren.

NEurofeedback bei Epilepsie: Slow Cortical Potentials Training

Biofeedbacktraining des sympathischen Hautreflexes zur Anfallsreduktion bei Epilepsie

2004 gelang Nagai et al. (A preli­mi­na­ry ran­do­mi­sed con­trol­led stu­dy. Epi­le­psy & Beha­vi­or 2004 (5) 216-223) der Nach­weis, dass Bio­feed­back­trai­ning des sym­pa­thi­schen Haut­re­fle­xes die Anfalls­häu­fig­keit signi­fi­kant verringert.
Der sym­pa­thi­sche Haut­re­flex oder Skin Con­duc­tance Level (SCL) zeigt den Zustand des sym­pa­thi­schen Ner­ven­sys­tems an. Der SCL wird vor­zugs­wei­se von den Fin­ger­kup­pen abge­lei­tet. Die dort befind­li­chen Schweiß­drü­sen sind direkt mit dem sym­pa­thi­schen Ner­ven­sys­tem gekop­pelt und pro­du­zie­ren bei Akti­vie­rung durch Rei­ze Schweiß. Dadurch steigt die Leit­fä­hig­keit der Haut messbar.
Nagai ent­deck­te, dass mit Hil­fe des Bio­feed­backs Pati­en­tIn­nen erler­nen kön­nen, ihre Wach­sam­keit zu stei­gern. Die­se wil­lent­li­che sym­pa­thi­sche Akti­vie­rung erhöht den SCL und ver­rin­gert gleich­zei­tig nega­ti­ve kor­ti­ka­le Poten­tia­le (Gehirn­strom­ak­ti­vi­tä­ten), die epi­lep­ti­sche Anfäl­le auslösen.

MEssung und Training der sympathische Hautreflex

Die Behandlung und Rehabilitation von neurologischen Erkrankungen mit verhaltensmedizinischen Methoden …

„…ist ein beson­ders erfolg­rei­cher Abschnitt der Lern­psy­cho­lo­gie. Aller­dings mehr in wis­sen­schaft­li­cher Hin­sicht als in der Ver­brei­tung der Anwen­dung, die häu­fig trotz nach­ge­wie­se­ner Effi­zi­enz an man­geln­den Kennt­nis­sen und Fer­tig­kei­ten der in Neu­ro­lo­gie und Psy­cho­lo­gie Täti­gen schei­tert“ (Bir­bau­mer et al. 2001, S 45).“

Seit die­sem Zitat sind über zwan­zig Jah­re ver­gan­gen und die „neu­en Metho­den“ des Bio- und Neu­rofeed­backs wur­den wei­ter ver­brei­tet und ver­fei­nert. Sie bie­ten eine idea­le The­ra­pie­form für Pati­en­tIn­nen, die ihre Krank­hei­ten und Beein­träch­ti­gun­gen selbst­be­stimmt und nach­hal­tig an der Wur­zel packen möch­ten. Die Metho­de funk­tio­niert schmerz­frei, ohne Medi­ka­men­te und Nebenwirkungen.

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