Prim. Dr. Gustav Raimann, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, beschreibt in seinem Bericht die verhaltensmedizinische Methode Neurofeedback als wichtigen Bestandteil der ganzheitlichen Behandlung psychischer und psychiatrischer Erkrankungen und weist auf die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit PatientInnen und Angehörigen hin.
*Übersetzung und Zusammenfassung des Behandlungsberichtes Dr. Gustav Raimann, vom 26.08.2021 (von Mag. Angelika Jaksch, MAS): Download engl. Originalbericht
Neurofeedback-Therapie und Psychoedukation zur umfassenden Behandlung psychischer und psychiatrischer Erkrankungen
Als Leiter der klinischen Abteilung für Psychiatrie und Neurologie, Klinik Maria Hilf, Klagenfurt, habe ich nach entsprechender Diagnostik zusätzlich zu medikamentösen und psychotherapeutischen Therapien meinem Patienten Neurofeedback und Psychoedukation empfohlen. Neurofeedback wurde zur zusätzlichen Diagnostik und Regulation neuronaler Fehlfunktionen des zentralen Nervensystems (Gehirn) erfolgreich eingesetzt. Psychoedukation konnte Bewusstsein für die Zusammenhänge psychophysiologischer Prozesse, also für die Wechselwirkungen zwischen psychischen und körperlichen Prozessen, schaffen. Neurofeedback-Diagnostik, -Therapie und Psychoedukation wurden und werden von Frau Mag. Angelika Jaksch, MAS, zert. Biofeedback- und Neurofeedbacktherapeutin SFU, BFA, Team Neuron, Wien, ambulant durchgeführt.
Die Regulation neuronaler Fehlfunktionen (Gehirnstromaktivitäten) wird mittels Neurofeedback trainiert. Diese verhaltensmedizinische Methode, lehrt PatientInnen, Ihre Gehirnaktivitäten zu kontrollieren, indem sie erlernen ihre neuronale Erregung und Hemmung bewusst zu steuern. Bei der Neurofeedback-Therapie zeichnet ein EEG (Elektroenzephalographie) die Gehirnstromaktivitäten auf und meldet sie zurück (Feedback). Dieses Echtzeit-Feedback wird für die/den PatientIn auf einen Bildschirm graphisch verständlich dargestellt. Das Feedback kann auch akustisch (Töne oder Melodie) erfolgen, um die Gehirnstromaktivitäten bewusst zu machen. Ohne visuellem und/oder auditivem Feedback bleiben die Gehirn(strom)aktivitäten unbewusst und damit willentlich nicht beeinflussbar, also autonom.
Vor dem Beginn einer Neurofeedback-Therapie wird zur Diagnostik eine EEG-Frequenzbandanalyse durchgeführt. Dabei werden die Leistungsverhältnisse der Gehirnstromaktivitäten in und zwischen unterschiedlichen Frequenzbändern (üblicher Weise 1-35 Hz) analysiert. Diese sogenannte vegetative Diagnostik des zentralen Nervensystems (Gehirn) ist die Grundlage der Neurofeedback-Therapie. Wird z. B. eine Fehlfunktion innerhalb eines Frequenzbandes festgestellt, kann dieses Frequenzband durch ein variierendes Balkendiagramm dargestellt werden. Auf- oder Abwärtsbewegungen des Balkendiagramms zeigen eindeutig jede Veränderungen der Gehirn(strom)aktivitäten. Mit Hilfe dieses Feedbacks kann die/der PatientIn erlernen, Fehlfunktionen durch Hemmung (abwärts) oder Aktivierung (aufwärts) selbst zu regulieren.
Klinische Anwendungen von Neurofeedback umfassen z. B. die Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, Angst, (schwere) Depression, Borderline, Epilepsie, Schlaflosigkeit, Drogenmissbrauch, Schizophrenie, Lernstörungen, Legasthenie und Dyskalkulie, Autismus-Spektrum-Störungen und viele andere.
Frau Mag. Jaksch, MAS erstellte, neben unseren Diagnosen (schwere depressive Episoden und Borderline-Syndrom, ebenfalls eine umfangreiche Diagnose und sprach Therapieempfehlungen aus. Diesen Therapieempfehlungen schlossen sich die behandelnde klinische Psychologin Fr. Dr. Sylvia Wadlegger und auch ich mich im Rahmen des Gesamtbehandlungskonzepts an. Sowohl der Patient als auch seine Eltern, die fortlaufend informiert und eingebunden waren (und sind), zustimmten diesem Gesamtbehandlungskonzept zu. Die Neurofeedback- und Biofeedback-Therapie setzte sich wie folgt zusammen:
- Neurofeedback SCP Training (slow cortical potentials) zur Regulierung neuronaler Erregung und Hemmung
Van Doren, J., Arns, M., Heinrich, H., et al. (2019). Nachhaltige Auswirkungen von Neurofeedback bei ADHS: eine systematische Überprüfung und Meta-Analyse. European Child & Adolescent Psychology, 28(3), 293–305. )
- Neurofeedback Alpha-Asymmetrie-Training zur Regulierung reduzierter neuronaler (Beta-) Aktivität im linken präfrontalen Kortex (Hoypoactivation)
Baher et al., 1999 (zit. nach Cantor & Evans 2014), Choi et al., zit. nach Cantor & Evans) Alpha-Asymmetry Protokoll
- Biofeedback- Hautleitwert-Training (psychogalvanische Hautreaktion) und -Temperaturtraining (periphere Temperatur) zur Sympathikus-Reduktion
Rice, K.M., Blanchard, E.B., Purcell, M. (1993). Biofeedback-Behandlung der generalisierten Angststörung: Vorläufige Ergebnisse. Biofeedback und Selbstregulation, 18(2), 93–105. Kim, S., Wollburg, E., Roth, W.T. (2012). Gegen Atemtherapien bei Panikstörungen: Eine randomisierte kontrollierte Studie zur Senkung vs. Erhöhung des pCO2-Endgezeiten. Journal of Clinical Psychiatry, 73 (7), 931-939. )
- Psychoedukation zum Verständnis der Psychophysiologie der Erkrankung (Wechselwirkungen zwischen psychischen und körperlichen Prozessen), die erforderlichen Therapiemaßnahmen und Selbsthilfestrategien
- Atemfunktionstraining im Baro-Reflexrhythmus zur Regulation atemabhängiger Herzratenvariabilität
- Aktive Regeneration zur Regulation von Aktivierung (z. B. Sport, Computerspiele, usw.) und Regeneration
Für das Gesamtbehandlungskonzept des Patienten waren Neurofeedback-Therapie, Biofeedback-Therapie, Psychoedukation und therapiebegleitende Maßnahmen, wie Aktive Regeneration von großer Bedeutung. Mit Hilfe dieses interdisziplinären Therapiekonzeptes, ist es uns gemeinsam mit dem Patienten und seiner Familie gelungen, trotz schwerwiegenden Diagnosen, innerhalb kurzer Zeit, außergewöhnliche Fortschritte zu machen.