Wie Neurofeedback Training bei ADHS und ADS wirkt

7. Juli 2022

Was ist ADHS? Was ist ADS (ADD)?

ADHS ist eine Auf­merk­sam­keits­stö­rung, die mit Hyper­ak­ti­vi­tät ein­her­geht. Betrof­fe­ne Kin­der und Erwach­se­ne lei­den unter Kon­zen­tra­ti­ons­stö­run­gen Lern­stö­run­gen und Leis­tungs­stö­run­gen, sowie Hyper­ak­ti­vi­tät. Sie wer­den als sprung­haft, impul­siv, kopf­los, über­ak­tiv und auf­ge­dreht wahr­ge­nom­men. Beson­ders bei Anfor­de­run­gen und Auf­ga­ben, die sie gegen ihren Wil­len erfül­len müs­sen, zei­gen sich man­geln­de Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit und Impuls­kon­trol­le. Kör­per­li­che und geis­ti­ge Unru­he blo­ckie­ren, Infor­ma­ti­ons­auf­nah­me und Infor­ma­ti­ons­ver­ar­bei­tung. Akti­ves Zuhö­ren, auf­merk­sa­mes und anhal­ten­des Mit­ar­bei­ten und das Abru­fen von Erlern­tem, sind Betrof­fe­nen nur ein­ge­schränkt mög­lich. Nicht nur ihr Bil­dungs­weg, son­dern auch ihre sozia­len Bezie­hun­gen sind ein Spieß­ru­ten­lauf zwi­schen Ermah­nun­gen und Dro­hun­gen (auf Ausschluss).

ADS (ADD) Betrof­fe­ne, lei­den nicht unter Hyper­ak­ti­vi­tät. Dar­um wer­den sie oft ver­kannt und als unin­tel­li­gent abge­stem­pelt. Sie stö­ren nicht son­dern lei­den still unter ihrer ein­ge­schränk­ten Lern­fä­hig­keit, Leis­tungs­fä­hig­keit und Erschöp­fung. Ihr Selbst­wert ist noch gerin­ger als bei ADHS Betrof­fe­nen und sie nei­gen häu­fig zu selbst­ver­let­zen­dem Verhalten.

Bereits im Kin­des­al­ter erle­ben Betrof­fe­ne enor­men Druck, da sie weder den eige­nen Erwar­tun­gen noch jenen der Fami­lie, Freun­de und Mit­schü­le­rIn­nen ent­spre­chen kön­nen. Dadurch ver­schlim­mert sich die Sym­pto­ma­tik zusätz­lich. Häu­fig zeigt sich dies durch Bett­näs­sen, Nägel bei­ßen, Angst­träu­me und Aggres­sio­nen. In man­chen Fäl­len legt sich die Hyper­ak­ti­vi­tät im Erwach­sen­al­ter doch die ein­ge­schränk­te Kon­zen­tra­ti­ons-, Lern- und Leis­tungs­fä­hig­keit bleibt bestehen.

Spät­fol­gen von ADHS und ADS in der Ado­les­zenz (Erwach­se­nen­al­ter) sind sozia­le Pro­ble­me und Rück­zug bis hin zu Depres­si­on und Burnout.

Sowohl bei ADHS als auch bei ADS lie­gen ent­we­der Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­run­gen des Gehirns und/oder neu­ro­na­le Fehl­funk­tio­nen auf­grund psy­chi­scher oder phy­si­scher Trau­men (Ver­let­zun­gen) vor. Toxi­sche Sub­stan­zen (wie Sucht­mit­tel, Dro­gen, u. a. Gift­stof­fe) kön­nen das Gehirn eben­falls schä­di­gen. ADHS und ADS kön­nen zudem erb­lich bedingt sein. Wei­te­re nicht zu unter­schät­zen­de Ursa­chen sind Infor­ma­ti­ons­quel­len, wie Han­dy, Inter­net und sozia­le Netz­wer­ke, die auf per­ma­nen­te Reak­ti­ons­be­reit­schaft und kurz­fris­ti­ge Infor­ma­ti­ons­auf­nah­me- und Über­mitt­lung aus­ge­legt sind. Die­se Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­stru­men­te, sowie Com­pu­ter­spie­le för­dern nicht nur das Sucht­ver­hal­ten, son­dern kon­ter­ka­rie­ren auch die Selbst­re­gu­la­ti­ons­fä­hig­keit neu­ro­na­ler Erre­gung und Hem­mung des Gehirns.

Seit 1970-iger Jah­ren wid­met sich ins­be­son­de­re die Uni­ver­si­tät Tübin­gen der Defi­zi­te in der zen­tral­ner­vö­sen Erre­gungs­re­gu­la­ti­on bei AD(H)S, die zu ver­mehr­ten lang­sa­men Fre­quen­zen (oszil­la­to­ri­sche Akti­vi­tä­ten) und Unter­er­re­gung bei der Ver­ar­bei­tung von Rei­zen (ereig­nis­kor­re­lier­te Poten­tia­le) führen.

Die­sen For­schungs­er­geb­nis­sen ist es zu ver­dan­ken, dass es seit über 20 Jah­ren mög­lich ist ADHS und ADS mit dem Neu­rofeed­back­trai­ning der lang­sa­men kor­ti­ka­len Poten­tia­le (slow cor­ti­cal poten­ti­als) erfolg­reich und ohne Neben­wir­kun­gen zu behan­deln[1]. Medi­ka­men­tö­se The­ra­pien bei AD(H)S lin­dern in man­chen Fäl­len die Sym­pto­me, die man­geln­de Selbst­re­gu­la­ti­ons­fä­hig­keit bleibt aber bestehen.

Das Neu­rofeed­back­trai­ning der lang­sa­men kor­ti­ka­le Poten­tia­le (SCP-Training) wird zur regu­liert die neu­ro­na­ler Erre­gung und Hem­mung, die bei ADHS und ADS gestört ist, eingesetzt.

SCP´s slow cor­ti­cal poten­ti­als (lang­sa­me kor­ti­ka­le Poten­tia­le) sind ein, in Echt­zeit bei 0,5 Hz gemes­se­nes, Resul­tat des labi­len Gleich­ge­wichts zwi­schen Erre­gungs­ak­ti­vi­tät (Nega­ti­vie­rung) und Hem­mungs­ak­ti­vi­tät (Posi­ti­vie­rung). Ziel des SCP-Trai­nings ist das bewuss­te Her­bei­füh­ren neu­ro­na­ler Erre­gung (Auf­merk­sam­keit) oder Hem­mung (Ent­span­nung), um die Ver­ar­bei­tung von Infor­ma­tio­nen in den ent­spre­chen­den Netz­wer­ken des Gehirns zu for­cie­ren. Dabei ler­nen Betrof­fe­ne mit Hil­fe von Echt­zeit­feed­back ihr Gehirn wil­lent­lich zu steu­ern und das Akti­vie­rungs­ni­veau bei der Ver­ar­bei­tung von Rei­zen zu stei­gern oder zu verringern.

Ein Bei­spiel für man­geln­de ein­ge­schränk­te Selbst­re­gu­la­ti­on neu­ro­na­ler Erre­gung und Hemmung:

Die neuronale Erregung wird durch blaue Balken und die neuronale Hemmung durch rote Balken dargestellt.

Die neu­ro­na­le Erre­gung wird durch blaue Bal­ken und die neu­ro­na­le Hem­mung durch rote Bal­ken dargestellt.

Im Ver­gleich ein Bei­spiel mit nor­ma­ler Selbst­re­gu­la­ti­on neu­ro­na­ler Erre­gung und Hemmung:

Selbstregulation neuronaler Erregung und Hemmung im Neurofeedback Training

Neu­ro­na­le Selbst­re­gu­la­ti­on ist u. a. erfor­der­lich dafür:

  • Auf­merk­sam­keit auf­zu­brin­gen und die­se zu halten
  • sich bei emo­tio­na­ler Erre­gung und Belas­tung wie­der zu beruhigen
  • Frus­tra­tio­nen zu tolerieren
  • nach schwie­ri­gen Situa­tio­nen Stress abzu­bau­en und sich zu entspannen
  • Impul­se bewusst wahr­zu­neh­men, zu kon­trol­lie­ren und ange­mes­sen zu reagieren
  • zwi­schen Reiz und Reak­ti­on zu unterbrechen
  • Absich­ten zu ver­wirk­li­chen und Zie­le zu verfolgen
  • sozia­le Kon­tak­te posi­tiv zu gestalten

neurofeedback training bei adhs und ads

Quellen:

[1] Effi­ca­cy of Neurofeedback Tre­at­ment in ADHD: the Effects on Inat­ten­ti­on, Impul­si­vi­ty and Hyperac­ti­vi­ty: a Meta-Ana­ly­sis, Ute Strehl et al. 2009
718 Kin­der aus 15 Studien
Evi­dence-Based Prac­ti­ce in Biofeedback and Neurofeedback
Caro­lyn Yucha, Diol Montgomery